Montag, 10. Mai 2010

Ein Wunder?

Mein Vater isst und trinkt wieder. Er war letzte Woche im Krankenhaus mit einer Infektion und dort wollte/konnte er nichts mehr essen. Er hatte Schluckstörungen, so dass man befürchtete, er könnte beim Versuch, etwas zu schlucken, ersticken. Mein Vater wird 84 und seit meine Mutter gestorben ist - das ist jetzt bald 7 Jahre her - ging es mit ihm körperlich und psychisch bergab.

Bei meinem Besuch im Krankenhaus hatte ich ihn kaum wiedererkannt: die Augen waren eingefallen, die Nase stach spitz aus dem Gesicht hervor und er war blass, sehr blass. Er sah eigentlich mehr tot als lebendig aus. Er konnte auch nicht wirklich mit mir sprechen, obwohl er mich zu erkennen schien. Er brachte kaum etwas heraus und mir wurde klar, dass seine Tage gezählt sind. Den Anschein hatte es zumindest.

Dann stellt sich natürlich die Frage, welche Entscheidung trifft man (siehe meinen letzten Blog-Eintrag). Meine Eltern haben, als sie beide noch Herr ihrer Sinne waren, sehr dezidiert darum gebeten, niemals an Schläuchen dahinvegetieren zu müssen, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst am Leben zu halten. Das haben sie mir - zum Glück - auch schriftlich gegeben. Und es ist notariell beglaubigt.

Als dann die Infektion ausgeheilt war, habe ich nicht die Erlaubnis ertelt, meinem Vater einen Schlauch in den Magen zu legen. Denn ich bin der Meinung, dass es auch ein Recht auf Sterben, genauso wie auf Leben gibt, und zwar, ohne dass es hinausgezögert wird, nur weil es eben medizinisch machbar ist.

Und nun isst er wieder. Es ist unfassbar. Ich habe vorhin mit der Pflegerin im Altenheim telefoniert und sie erzählte mir, er hätte sehr deutlich gesagt, dass er einen Riesenhunger und auch Durst habe. Und es hat tatsächlich geklappt, ihn zu füttern. Durch den Mund und ganz bewusst. Er kann zwar nicht mehr selbst die Gabel oder den Löffel halten, aber so lange er noch "Hunger" sagen kann, wird er Essen und Trinken bekommen! Und Zuwendung.

Wie gut, dass ich den Schlauch verweigert habe! Es wäre die vollkommen falsche Entscheidung gewesen und mir war bei dem Gedanken an so etwas ohnehin nicht wohl.

Am Donnerstag werde ich meinen Vater wieder besuchen. Ich hoffe, dass er dann immer noch selbst essen kann.

3 Kommentare:

Blumenmond hat gesagt…

Uschi, das ist toll und bestätigt die Entscheidung. Ich freue mich für Dich.

lizzy hat gesagt…

Mich freut's ebenfalls für dich und deinen Vater.
Insbesondere, dass du mutig die beste aller Entscheidungen getroffen hast und das sogar sichtlich belohnt wurde. Richtig schön!

amandajanus hat gesagt…

eine schwere Entscheidung hast getroffen und eine wirklich richtige. ich ferue mich für dich und die ganze Familie.